Bezug zur Außenwelt

Christin Ruppio

Was verbindet den Stadtpark Bottrops mit der Yale University in New Haven? Es sind die zwei Orte auf der Welt, die man zur Erforschung des Werkes von Josef Albers (1988–1976) aufsuchen sollte. Albers – seit 1923 in unterschiedlichen Funktionen am Bauhaus tätig, ab 1932 dessen stellvertretender Leiter – floh bereits 1933 gemeinsam mit seiner Frau Anni, ebenfalls Künstlerin am Bauhaus, aus Deutschland in die USA. 1979 übergaben Anni Albers und die Albers-Foundation 91 Gemälde und 234 Grafiken an die Stadt Bottrop. Damit bewahrt die Heimatstadt des Künstlers fast sein gesamtes grafisches Werk und die größte Albers-Sammlung weltweit.

Leiter des Hochbauamtes

Den Ort, an dem diese bedeutende Sammlung bewahrt und ausgestellt wird, schuf der Architekt Bernhard Küppers (1934–2008). Als Leiter des Hochbauamtes der Stadt Bottrop legte Küppers großen Wert darauf, selbst kreativ entwerfend tätig zu werden. In seiner 10-jährigen Amtszeit fügte Küppers Bottrop 35 Stadtbauten hinzu. Ein umfangreiches Erbe städtischer Gestaltung, das heute teils vom Abriss bedroht ist. Das Museum im Stadtpark bewahrt also nicht nur Sammlungen, sondern ist auch das Werk eines für den Städtebau der Nachkriegszeit bedeutenden Architekten. Der Architektennachlass wird im Baukunstarchiv bewahrt.

Räume und Menschen

An diesem Bestand mit zahlreichen Skizzen, Zeichnungen, Fotografien und Texten fällt auf, wie tiefgehend und multiperspektivisch Küppers sich mit dem Museumsprojekt auseinandersetzte. So finden sich eine Vielzahl von kleinformatigen Blättern mit Skizzen, anhand derer der Architekt über die Raumanordnung nachdachte, aber auch eine theoretische Schrift zum Anspruch an neue Museen, der Küppers schematische Zeichnungen zur sinnvollen Bewegungsführung in seinem Museum beifügte. Küppers’ Nachlass zu diesem Projekt zeigt ein für die Nachkriegszeit charakteristisches, nachdrückliches Fragen nach dem gegenseitigen Einwirken von Räumen und Menschen aufeinander.

Heimatkunde-Sammlung und Albers-Gemälde

Die erste Nachkriegs-Ausstellung von Albers’ Werken in seiner Heimatstadt fand durch private Initiative bereits 1958 statt. Anschließend schenkte Albers sechs Gemälde an die Stadt, was diese dazu bewog, über den Bau eines Museums nachzudenken. Man entschied sich, einen großzügigen Anbau an das bereits bestehende Heimatmuseum zu setzen. Daher zeigt sich das 1976 eröffnete »Quadrat« als spannungsvolle Kombination: eine Gründerzeitvilla, an die Küppers drei gleichgroße quadratische Pavillons in Stahlskelett-Bauweise ansetzte. Die ehemalige Dienstvilla des Amtsrichters aus dem Jahr 1903 sollte eigentlich bereits 1960 abgerissen werden. Stattdessen wurde eine Umnutzung als Heimatmuseum mit seinem besonderen Anziehungspunkt, der Sammlung von Mammut-Skeletten, angestoßen. Die umfangreiche Sammlung und insbesondere diese monumentalen Exponate ließen bald die Notwendigkeit eines größeren Ausstellungsraumes deutlich werden. Die Aufgaben, einen angemessenen Ausstellungsraum für die Heimatkunde-Sammlung und die ersten der Stadt geschenkten Albers-Gemälde zu schaffen, wurden an einem Ort zusammengeführt. Trotz der sehr beschränkten finanziellen Mittel sollte hier ein Museumszentrum entstehen, das Raum für eine eher ungewöhnliche Zusammenstellung von Objekten schuf und damit auch einen Ort für umfassende kulturelle Bildung im Museum sein konnte.

»Homage to the Square«

In einer Broschüre zur Eröffnung des Museums hieß es: »Das ›Quadrat‹ hat einen aktiven Treffpunkt: den Aktionsraum. […] einen sehr lebendigen Treffpunkt: das Museum für Ur- und Ortsgeschichte. […] einen bunten und anregenden Treffpunkt: die Moderne Galerie.« Diese drei recht unterschiedlichen Anforderungen – moderne Kunstausstellung, Medienzentrum mit Platz für Veranstaltungen und Lernort für Heimatkunde – brachte Küppers in drei gleichgroßen quadratischen Pavillonbauten unter. Die Anordnung der drei Gebäudeteile erlaubt Durchblicke von der Galerie über das Medienzentrum in die »Eiszeithalle« mit den Mammuts, eine fließendes Raumerlebnis.

Wenngleich der Großteil der Sammlung bildender Kunst zu dieser Zeit nicht aus Werken von Josef Albers bestand, deuteten sowohl der Name »Quadrat« als auch die Umsetzung als vielschichtiger Lernort einen Bezug zu Albers’ Bauhauslehre und seinem künstlerischen Schaffen an. Ohne einen Vergleich erzwingen zu wollen, lassen sich zwischen Albers’ Werk und Küppers Herangehensweise Anknüpfungen entdecken. Albers variierte das Quadrat in seiner berühmten Serie »Homage to the Square« über ein Vierteljahrhundert lang. Und auch in Küppers’ Skizzen ist ablesbar, dass er den Museumsbau von vorneherein aus der geometrischen Form des Quadrats heraus entwickelte.

Wechselbeziehung

Während in Albers’ berühmter Quadrat-Serie die Interaktion von Farben ein prominentes Thema ist, setzte sich Küppers in seiner Architektur mit der Interaktion von Kunst und Umwelt, Innen- und Außenraum auseinander. Folgerichtig gestaltete Küppers auch die umgebende Vegetation und Wegeführung im Stadtpark (#Bauten für Kunst und Kultur im Ruhrgebiet und ihre Standorte) mit. Auf Fotografien aus der Entstehungszeit ist sehr gut erkennbar, wie die großen Glasflächen einen Übergang zwischen Innen- und Außenraum schaffen. Der Blick kann über die Skulpturen der Galerie in den Park schweifen, und auch von außen sind Einblicke in das Museum möglich. Die Wechselbeziehung zwischen Innen und Außen wird darüber hinaus durch die im Park situierten Skulpturen intensiviert. So können auch Spazierende im Stadtpark, ohne das Haus zu betreten, am Erlebnis des Treffpunkts »Quadrat« teilhaben.

Pläne für ein Albers-Museum

Nachdem Anni Albers 1976 eine umfangreiche Schenkung aus dem Nachlass ihres soeben verstorbenen Mannes veranlasste hatte, wurde klar, dass das »Quadrat« einen weiteren Anbau benötigte. Interessanterweise ist auf Skizzen aus dem Jahr 1974 – also drei Jahre bevor Anni Albers erstmals mit dem Anliegen an die Stadt herantrat – zu erkennen, dass zu dieser Zeit bereits die Option eines Anbaus mitgedacht wurde. Als die Pläne für ein Albers Museum konkretisiert wurden, hob Küppers jedoch hervor, dass es sich nicht um einen bloßen Annex handeln, sondern ein Gebäude mit eigenständiger Wirkung entstehen sollte. So liegt der Albers-Pavillon etwas abseits der drei deutlich miteinander verbundenen Pavillons des »Quadrat« und ist durch eine Brücke doch mit ihnen verbunden. Ein Holzmodell aus dem Bestand Küppers – welches in seiner materiellen Anmutung in besonderer Weise die Naturnähe des Projektes widerspiegelt – gibt einen Eindruck von der Lage der einzelnen Pavillons zueinander und ihrem Zusammenwirken mit der Parklandschaft.

Meditative Atmosphäre

1983 eröffnete das Josef Albers Museum; genau 50 Jahre nachdem Anni und Josef Albers vor den Nationalsozialisten in die USA geflohen waren. Damit ist der gesamte Komplex nicht nur als qualitätvoller Nachkriegsbau des International Style (#Im Revier der Transparenzen) von Bedeutung, sondern auch als weithin sichtbare Geste: Zwar kehrte der durch die Nationalsozialisten verunglimpfte Künstler nur besuchsweise aus dem Exil nach Deutschland zurück, seine Werke aber fanden in seiner Heimatstadt nun eine dauerhafte Bleibe.

Zur Eröffnung des Albers Museums 1983 schrieb Küppers, dass es für die Kunst von Albers Räume brauche, die eine meditative Atmosphäre haben, aber nicht den Bezug zur Außenwelt verlieren. Um eine größere Haupthalle situierte Küppers kleinere, halb-offene Räume, die er durch eingestellte Wandscheiben erzeugte. Diese Kabinette sind für die Präsentation kleinerer Werke – vor allem Grafiken – geeignet. Wenngleich dieser Teil des Museums aus konservatorischen Gründen weniger offen gestaltete werden konnte, um insbesondere die Grafiken vor zu viel Lichteinfall zu schützen, legte Küppers auch hier großen Wert auf die Integration von Tageslicht und Öffnungen zum Park.

Lichtquellen

Für jedes Museum spielt Licht (#Über die Architektur von Kunstmuseen) eine wichtige Rolle, doch für die Ausstellung von Albers’ Werk ist das Spiel des Lichts auf der Oberfläche von maßgeblichem Interesse. In einigen Skizzen zu diesem Projekt untersuchte Küppers die Möglichkeiten der Öffnung zum Außenraum und den Lichteinfall über Sheddächer, was er letztlich auch umsetzte. Neben diesem natürlichen Oberlicht ließ Küppers an den Unterseiten der Dächer zusätzlich Leuchtstoffröhren für eine gleichmäßige künstliche Beleuchtung anbringen. Küppers betonte, dass Albers selbst diese Lichtquelle beim Malen genutzt habe. Der direkte Lichteinfall durch einige große Fensteröffnungen – die für die Verbindung zur Umgebung unerlässlich waren – lässt sich, wie auch in den anderen Pavillons, durch Lamellen regulieren.

Erweiterungsbau

Küppers gelang es, in diesem Museumskomplex äußerst unterschiedliche Ansprüche zu vereinen, und er schuf eine Architektur, die sich öffnet und in ihrer Modularität zu Erweiterungen einlädt. Und so wächst das »Quadrat« weiter, nun unter Beteiligung der nachfolgenden Generation von Architekten. Im Jahr 2020 wird von dem Architekturbüro Gigon/Guyer ein Erweiterungsbau süd-westlich des Albers Museums gebaut. Auch dieser Anbau wird über eine Brücke erreichbar sein, so dass alle Quadrate miteinander verbunden bleiben.

Der vorliegende Text wurde zuerst publiziert in: Hans-Jürgen Lechtreck, Wolfgang Sonne, Barbara Welzel (Hg.): »Und so etwas steht in Gelsenkirchen…«, Kultur@Stadt_Bauten_Ruhr, Dortmund 2020, S. 134–149.