Am bemerkenswertesten Bauplatz der Duisburger Innenstadt

Sonja Pizonka

Der Wettbewerb für die Stadthalle in Duisburg erfolgte 1956, geplant war eine moderne Mehrzweckhalle am Standort der im Krieg zerstörten Tonhalle. Allerdings wurde weder ein erster noch ein zweiter Preis vergeben. Stattdessen wurden einzelne Entwürfe, wie es in dem Telegramm an den Architekten Gerhard Graubner hieß, mit »einem Preis« ausgezeichnet. Ein wesentlicher Grund für dieses Ergebnis war der Wunsch, dass sich die drei geplanten (Konzert-)Säle im Bedarfsfall zu einer großen Halle verbinden lassen würden.

Grauber, Stumpf und Voigtländer

Egon Eiermann, Preisrichter beim Wettbewerb, war nicht verwundert, dass diese Aufgabe hinsichtlich der Akustik kaum zufriedenstellend gelöst werden konnte: »Jeder Raum, den wir bauen, ist seinem Zweck und seinem Sinn so zugeordnet, daß man ihn nicht einfach gummiartig erweitern kann.« Zwar war die Ausrichtung eines zweiten Wettbewerbs geplant, am Ende fiel jedoch der Entschluss, die Preisträger Gerhard Graubner aus Hannover sowie das junge Architektenteam Heido Stumpf und Peter Voigtländer aus Duisburg dazu aufzufordern, die Planung gemeinsam zu übernehmen. Gerhard Graubner (1899–1970) hatte das Stadttheater Bremerhaven (1953) sowie das Schauspielhaus Bochum (1953) entworfen und Pläne für das Stadttheater in Lünen (1958) gefertigt. Heido Stumpf (1928–1993) und Peter Voigtländer (1927–1965) erhielten 1958 beim Wettbewerb für den Entwurf der Stadthalle in Oberhausen den ersten Preis, sodass sie zeitgleich zwei Projekte mit ähnlichem Zuschnitt betreuten.

Gemeinsames Planungsbüro

In den von Peter Voigtländer sorgfältig angelegten Akten sind alle Details zum Bauprozess abgeheftet, darunter auch das Glückwunschtelegramm an Gerhard Graubner. Das Schild des gemeinsamen Planungsbüros befindet sich ebenfalls in Voigtländers Nachlass. Der Architekt war 1965 bei einem Autounfall ums Leben gekommen, seine Unterlagen zu den Bauprojekten blieben danach weitgehend unangetastet. Neben Akten und Plänen sind auch Objekte wie diverse Kalender und Stempel erhalten.

König-Heinrich-Platz

Das Gelände der ehemaligen Tonhalle sowie die umliegenden Grundstücke bildeten, so hieß es zur Rahmenplanung, »den bemerkenswertesten Bauplatz der Duisburger Innenstadt und bedürfen einer sorgfältigen Rahmenplanung, um hier im Brennpunkt des Verkehrs vom Hauptbahnhof zur Innenstadt zwischen Kulturinstituten, Geschäftshäusern, Verwaltungsbüros und Freiflächen eine würdige Gestaltung und zweckmäßige Bebauung sicherzustellen.« Während das im Krieg beschädigte Stadttheater (1912 eröffnet, Architekt: Martin Dülfer) an der Nordseite des Platzes schon 1946 provisorisch genutzt und bis zur endgültigen Fertigstellung 1960 Stück für Stück bei Rekonstruktion der historischen Fassade wiederaufgebaut worden war (#Die Tradition der Kulturbauten), gingen die Planungen für das benachbarte Grundstück der ehemaligen Tonhalle nur stückweise voran.

Ein Wiederaufbau der vollkommen zerstörten Tonhalle nach historischen Plänen war nicht angedacht, stattdessen war die Neugestaltung des Umfeldes vorgesehen, wozu die Planung von Parkplätzen, Zugangswegen und einer zeitgemäßen Vorplatzgestaltung der Mehrzweckhalle gehörte. Der künftige Bau der Stadthalle würde die Gestaltung des König-Heinrich-Platzes abschließen (#Bauten für Kunst undKultur im Ruhrgebiet und ihre Standorte).

Modell und Bautagebücher

Anhand eines detailliert ausgeführten Modells, das die Halle sowie die übrige Bebauung rund um den König-Heinrich-Platz zeigte, konnte die Neuplanung von Halle und Umfeld nachvollzogen werden. Dazu hieß es: »Absicht des Bauherrn und Bemühung der Architekten waren es, diesen Mittelpunkt anziehend zu gestalten und gegen die Unruhe der Stadtmitte zu isolieren. Drei Grundgedanken haben dabei die Planung von Anfang an beherrscht: Die städtebauliche Gruppierung. Die Trennung von Fußgänger und Kraftverkehr. Die Transparenz des Baukörpers mit einer gläsernen Außenhaut inmitten einer versteinerten Umgebung.« Einen detaillierten Einblick in das Baugeschehen ermöglichen darüber hinaus mehrere Bautagebücher. Tag für Tag wurden die Fortschritte und Probleme auf der Baustelle dokumentiert. Zahlreiche Fotografien veranschaulichen zudem die Entwicklung vor Ort und vermitteln einen Eindruck der ersten Begehung des fertigen Bauwerks.

Moderne Stadthalle

1961 herrschte in Duisburg Aufbruchsstimmung, denn sowohl die Mercatorhalle als auch die Volkshochschule und das Lehmbruck-Museum waren zu diesem Zeitpunkt im Bau. Im Jahr darauf wurde die neue Stadthalle dann eröffnet. Die Mercatorhalle verfügte über einen großen und einen kleinen Saal sowie über ein weiträumiges Foyer, das auch für Veranstaltungen genutzt werden konnte. Das Architektenteam hatte den großen Saal sechseckig konzipiert; er wurde für seine Akustik gelobt, bei der die Gliederung der Decke eine wesentliche Rolle spielte. In der Mercatorhalle fanden Konzerte, Ausstellungen, Kongresse und Präsentationen statt. Stadthallendirektor Hans-Joachim Hoerenz erklärte: »Alle diese Veranstaltungen können sich durchaus ›vertragen‹. Die Vorstellungen, daß jenes nicht würdig genug, das andere zu anspruchsvoll sei, um unter einem Dach Platz finden zu können, gelten für eine moderne Stadthalle nicht.«

Ort der Gastfreundschaft

Damit verband sich auch die Hoffnung, dass die Stadt Duisburg mit den Veranstaltungen in der Halle zu einem Reiseziel für auswärtige Besucher werden würde. Das hatte auch der Karlsruher Architekt Egon Eiermann schon 1956 angekündigt: »Ich glaube, auch sagen zu können, daß Sie damit rechnen müssen, daß viele Menschen aus der weiteren Umgebung des Ruhrgebietes – das Ruhrgebiet ist ja eine einzige große Stadt – nach Duisburg hereinfahren […].« Und Stadthallendirektor Hoerenz war überzeugt, dass nun Duisburg nicht länger nur als Stadt der Arbeit, sondern auch als Ort der Gastfreundschaft wahrgenommen werde.

Denkmalschutz und Abriss

25 Jahre später hatte die Stadthalle allerdings an Bedeutung verloren: »Als die Mercator-Halle ihrer Bestimmung übergeben wurde, gehörte sie zu den deutschen Großhallen. Heute rangiert sich gerade noch im Mittelfeld der mittleren Hallen.« Obwohl das Bauwerk 2001 unter Denkmalschutz gestellt worden war, wurde schon 2002 per Ministerentscheid der Obersten Denkmalbehörde die Abbruchgenehmigung erteilt. 2005 erfolgte dann der Abriss. An ihrer Stelle wurde das CityPalais gebaut, in dem sich neben einem Veranstaltungssaal (weiterhin unter dem Namen Mercatorhalle) ein Spielcasino, Büros sowie Flächen für Einzelhandel und Gastronomie befinden.

Der vorliegende Text wurde zuerst publiziert in: Hans-Jürgen Lechtreck, Wolfgang Sonne, Barbara Welzel (Hg.): »Und so etwas steht in Gelsenkirchen…«, Kultur@Stadt_Bauten_Ruhr, Dortmund 2020, S. 252–265.